Für mein Vater Schorsch war die Kriegszeit erst 1949 vorbei, als er nach 5 Jahren russischer Gefangenschaft nach Hause kam. Er hat uns sehr viel Anekdoten aus seiner Kriegszeit und Gefangenschaft erzählt. Vor vielen Jahren habe ich mal zusammen mit ihm die Chronologie seiner Kriegsjahre zusammengetragen.
A Jarzewo Russland, Oblast Smolensk, Erster Truppeneinsatz
B Kuprinki, erste Verwundung
C Lida, Łódzki, Rückkehr zur Truppe
D Fluss, Narew, Polen, Stillstand der Front
E Neidenburg, Lazarettaufenthalt mit Gelbsucht
F Heiligenbeil Polen, Beginn der Gefangenschaft
G Straplack Eylau, Polen, erste Station über Ostern
H Ragnit, bei Tilsit, Fußmarsch ins erste Lager
I Rositten, Lettland, längerer Aufenthalt im Lager
J Riga, Antifaschistisches Seminar
K Dünaburg, Lettland, Hauptlager
L Mariupol, Industriestadt am Asowschen Meer
M Brest Litowsk, Zwischenstation auf der Rückreise
N Köln Hohenlind, Besuch seiner Schwester Käthchen auf der Rückreise
O Niederhersdorf
KRIEG UND RUSSISCHE GEFANGENSCHAFT
01.09.1939 Ausbruch des 2. Weltkriegs
1940 Bruder Matthes wird eingezogen
25.02.1943 Schorsch wird auch zum Militär eingezogen. Erster Ort ist Metz, die Grundausbildung absolviert er in Verdun.
25.08.1943 Schorsch macht sich auf den Weg an die Front nach Russland, Ankunft bei der Truppe in Jarzewo.
14.09.1943 Verwundung bei einem Angriff in Kuprinki, Russand. Schorsch hat zwei Splitter im Arm und kommt ins Lazarett.
29.09.1943 Mit der Verwundung kommt er zurück nach Luxemburg zu einer Ersatzkompanie. Schorsch erlaubt sich einen Besuch zu Hause ohne Urlaubsschein.
Feb 1944 Pferdelehrgang in Barbenhausen bei Darmstadt
Apr 1944 Zurück zur Ersatzkompanie nach Luxemburg.
Mai 1944 Vier Wochen Urlaub für Frühjahrsbestellung, letzter Heimaufenthalt.
Jun 1944 Schorsch kommt nach Baumholder, dort wird der Transport für die Ostfront zusammengestellt. „Dem Lanzer zur Folter schuf Gott Baumholder“
Jul 1944 Verlegung an die Ostfront an die polnisch-russische Grenze bei Lida zur 13. IG Kompanie (IG= Infanterie Geschütz). Ab hier erlebt Schorsch nur noch Rückzug. Über den ganzen Sommer ziehen sich die Rückzugsmärsche.
01.10.1944 Überquerung des Flusses Narew, (Südost-Preußen), nördlich von Warschau. Front kommt für einige Monate zum Stillstand.
Aug 1944 Versetzung zur 7. Kompanie, Infanterie.
Sep 1944 Schorsch wird krank, hat Gelbsucht und kommt ins Lazarett nach Neidenburg in Ostpreußen für 4 Wochen. Wie er später erfährt, ist das die Zeit, in der Prüm hart umkämpft wird.
Nov 1944 Schorsch kommt in eine Ausbildungskompanie in Kazittloh, Feldersatz Bataillon, zur Maschinengewehr-Ausbildung. Schorsch hat mir von einem Rezept erzählt, das sie dort ausprobiert haben, um eine Kuh zu bewegen mehr Milch zu geben: Kaffee mit Schnaps, ergab 2-3 Liter mehr Milch. Eine Ausbildung am Maschinengewehr hat er allerdings nie mitgemacht.
Dez 1944 Kurz vor Weihnachten Rückkehr zur 7. Kompanie bis zum 17. Januar. Weiter Stillstand an der Front am Narew.
12.01.1945 Die Russen starten einen Großangriff mit einem Vorstoß auf Danzig
17.01.1945 Weiter Rückzug durch Ostpreußen bis Heiligenbeil / Brausberg
25.03.1945 Freiwilliger Gang in die russische Gefangenschaft.
05.04.1945 Sie kommen zuerst ins Lager Staplack, Preußisch Eylau, in Ostpreußen. Dort verbringt er auch Ostern. Von dort ging es dann zu Fuß nach Ragnit bei Tilsit.
Jun 1945 Per Wagon geht es weiter nach Rositten in Lettland, dem ersten Lager, wo Schorsch länger bleiben sollte. Dort trifft er auch Bernhard Bertram, der Adjutant im Lager war und Teillagerkommandant Willi Stange aus Frankfurt.
Sep 1947 Schorsch wird auf ein antifaschistisches Seminar in Riga geschickt, Stange hatte ihn dazu als einer von 3 Kandidaten vorgeschlagen. Ziel war es, Personen für den späteren Einsatz im Heimatland für die Kommunisten auszubilden.
Es gab drei verschiedene Ausbildungsgruppen:
- Kommunisten und ehemalige Sozialdemokraten, die im KZ waren
- Ehemalige Berufssoldaten, leicht zu gewinnen ohne Existenz
- Politisch Interessierte. Schorsch und Bernhard Bertram gehörten zu dieser Gruppe.
Schorsch wird allerdings nach zwei Wochen wieder zurück ins Lager geschickt. Er vermutete, dass es Nachforschungen bei echten „Antifaschisten“ im Lager in Rositten gab und er als „nicht umerziehungsfähig und somit nicht geeignet“ angesehen wurde.
Okt 1947 Schorsch wird für 2 Wochen in Hauptlager nach Dünaburg, in Lettland verlegt.
Nov 1947 Zusammen mit 30 Kameraden wird Schorsch in einem Wagon nach Mariupol ans Asowsche Meer verlegt, dort trifft Schorsch auf Karl Dickel aus Bochum und Peter Pletz aus Aachen. Willi Stange wird mit- geschickt als Lagerkommandant. Bernhard Bertram kommt nach Stalingrad. Dort sollte Schorsch ca. 1,5 Jahre bleiben. Wie er immer erzählte, war dies die beste Zeit der Gefangenschaft.
Mariupol war damals schon eine bedeutende Industriestadt. Die Gefangenen sollten dabei helfen ein neues Stahlwerk aufzubauen. Schorsch wird zunächst als Handlanger auf dem Bau eingeteilt. Willi wird auf Drängen der Deutschen wieder zum Lager-Kommandant bestellt. Nach einiger Zeit wird Schorsch Adjutant im Lager für den Innendienst. Seine Hauptaufgaben sind Kleidertausch in der Kleiderkammer, Essensausgabe, Weckdienst und Versorgung der Gefangenen im Karzer. Für ca. ein halbes Jahr ist Schorsch 1. offizieller Stellvertreter des Lagerkommandanten, in einem Lager mit 1.500 Mann. Schorsch erzählte, dass Willi nach einiger Zeit als Lagerkommandant abgesetzt und zum Stellvertreter degradiert wurde.
25.8.1949 Nach langem Warten beginnt endlich die 3-wöchige Rückreise aus Mariupol nach Deutschland. Die erste Etappe ist Brest Litowsk, östlich von Warschau. Wie er später von Bernhard Bertram erfahren hat, war er am gleichen Tag auf dem Rücktransport in Brest Litowsk, allerdings haben sie sich nicht getroffen. Weiter geht es heimwärts über die Stationen Frankfurt/Oder, Eisenach, Bebra, Ulm, Tuttlingen, Köln. In Köln besucht Schorsch als erstes seine Schwester Käthchen, die dort im Kloster in Hohenlind lebte.
13.09.1949 Ankunft in Niederhersdorf, abends um 23:00 Uhr.